Aus der Presse

"The Show Must Go On"

Fréderic Puzin, CEO des Pariser Vermögensverwalters Corum, lässt im Interview das Jahr 2021 Revue passieren und berichtet von seinen Erfahrungen an den europäischen Immobilienmärkten.

 

Wie haben Sie 2021 erlebt? Mit Ihren Fonds haben Sie ja wieder das Performanceziel - sechs, beziehungsweise fünf Prozent - übertroffen.
Fréderic Puzin: Ende 2020 haben wir gesehen, dass die Krise größtenteils hinter uns liegt. 2021 war für uns zwar etwas anders, aber auch nicht wesentlich. Zu Jahresbeginn waren wir noch damit beschäftigt, Verhandlungen mit Mietern zu führen, die krisenbedingt in Schwierigkeiten geraten waren. Nichtdestotrotz werden die Fonds (Corum Origin und Corum XL) eine bessere Performance aufweisen als 2020. Was die Asset-Management-Intensität betrifft, also sicherzustellen, Cash zu verdienen im Fonds, war sicher schwieriger 2021. Alles in allem sehe ich uns aber auf einem guten Trend.

Haben Sie mehr Deals getätigt?
2020 haben wir sicher mehr Transaktionen umgesetzt. Vor allem zwischen März und Juni haben wir als eine gute Zeit für Käufe gesehen. 2021 waren alle Investoren wieder zurück, und es gab sehr viel Liquidität im Markt. Sogar mehr als 2019. Damit ist es schwieriger geworden, gute Assets mit guten Mietern zu einem guten Preis zu finden. Gleichzeitig haben wir heuer das perfekte Marktumfeld für Verkäufe gesehen – vor allem für Logistik und Health Care. Auch wir verkaufen derzeit viele Logistikimmobilien, die wir in den vergangenen fünf, sechs Jahren gekauft haben. Mit hohen Gewinnen.

Kaufen Sie auch wieder Logistik zu?
Nein, die Preise sind zu teuer. Dasselbe gilt für Büroimmobilien. Anders als am Beginn der Krise von vielen erwartet, hat Corona nicht das Ende des Büros eingeläutet. Zwar arbeiten jetzt mehr Menschen im Homeoffice, aber die Menschen sind mehrheitlich wieder zurück im Büro. Das wird auch in Zukunft der Fall sein.

Wird die Krise nachhaltige Auswirkungen auf Ihr Portfolio haben?
Wir haben die Krise eher als Gelegenheit gesehen, um gute Assets zu guten Preisen zu finden. Viele Gebäude waren vor der Krise zu teuer, aber einige Investoren waren bereit zu verkaufen – möglicherweise, weil Mieter pandemiebedingt in Schwierigkeiten geraten waren. Unser Glück ist, dass wir im Portfolio gute Mieter mit langfristigen Mietverträgen haben. Das hat uns auch bei den Verhandlungen über Mietreduktionen oder -aussetzungen geholfen. Für unser Entgegenkommen haben wir die Mietverträge nochmals verlängert. Und das zu einer guten Risikoprämie. Völlig anders hätte die Lage ausgeschaut, wenn wir viele kurzfristige Mietverhältnisse – selbst mit guten Mietern – gehabt hätten.

Besitzen Sie Shoppingcenter oder Fachmarktzentren?
Nein, im Retailsegment bevorzugen wir Gebäude mit einem guten Mieter.

Sie haben seit dem Ausbruch der Krise im Retailsegment Gelegenheiten wahrgenommen. Was haben Sie gesucht?
Wir haben beispielsweise einen Aldi-Supermarkt in Dublin gekauft. Wir konzentrieren uns auf Unternehmen mit guten Geschäftsmodellen, die gezeigt haben, dass sie die Krise deshalb gut meistern können. Ein Beispiel: Heimwerkermärkte. Natürlich wurden auch sie von der Krise getroffen. Trotz aller Schwierigkeiten sind die Kunden wegen der Qualität der Produkte und Dienstleistungen wieder zurück.

Bevorzugen Sie grundsätzlich Städte- oder Freizeithotels?
Das spielt nicht so eine Rolle. Man wird in allen Bereichen gute Pächter mit guten Geschäftsmodellen bekommen. Wir konzentrieren uns bei Deals weniger auf die Immobilien als auf die Businesspläne der Mieter. Sehr interessant ist, dass große Hotelplayer, die zwar auch unter der Krise leiden, aber wirtschaftlich gut aufgestellt sind, die Schwäche ihrer Mitbewerber ausnützen können. Sie wollen über Zukäufe wachsen. Gleichzeitig benötigen sie Cash. In solchen Fällen sind Sale-and-Lease-Back-Transaktionen sinnvoll. Gleichzeitig bieten sich Investoren wie uns Gelegenheiten. Wie in jeder Krise erleben wir auch diesmal eine Reorganisation des Marktes. Und die Hotelindustrie ist da keine Ausnahme.

Was für Erfahrungen haben Sie im Hotelbereich gemacht?
Wir haben unter anderem ein Hotel in Spanien und mehrere in Finnland. Daher waren wir mit völlig unterschiedlichen Situationen konfrontiert. In Spanien war die Lage durch aus herausfordernd. Wir sind aber damit fertig geworden. Und übrigens: Wir werden das spanische Hotel, das wir 2018 erworben haben, mit einem hohen Gewinn verkaufen. Vor drei Monaten wurden wir darauf von einem großen Investor angesprochen. Verkaufen werden wir mit einer Wertsteigerung von 30 Prozent. Sicher leidet die Hotelindustrie in Europa. Gleichzeitig gibt es viele Investoren, die weiterhin an das Hotel glauben. Darunter viele, wie etwa Family Offices oder sehr vermögende Privatpersonen, die eine persönliche Beziehung zu einem Asset haben.

Machen Ihnen die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit der Pandemie Sorgen – Stichwort Omikron?
Diese Krise hat bislang drei Phasen gehabt: In der ersten, zwischen März und Juni 2020, waren alle geschockt. Sie, wir und auch die Unternehmen beziehungsweise Mieter. Und was macht man, wenn man Angst hat: Man versucht, sich zu schützen. In der zweiten Phase haben wir gelernt, mit der Situation umzugehen und eine Balance zwischen möglichen Gefahren, aber auch Gelegenheiten zu finden. Derzeit geht es darum, neue Erkenntnisse zu verdauen: Ok, anders als erwartet, hat die Impfung der Krise kein Ende bereitet. Und alle sechs Monate könnte es zu einem Lockdown kommen. Wie man so schön sagt: „The show must go on.“

Erwarten Sie neuerliche Verhandlungen über Mietaussetzungen und -stundungen?
Bis jetzt sind noch keine Mieter an uns herangetreten. Aber sollte das eintreten, so wissen wir, wie wir damit umgehen. Vor eineinhalb Jahren war das noch nicht der Fall. Wir sind also relativ entspannt. Man darf auch nicht vergessen, dass die europäische Wirtschaft im letzten halben Jahr regelrecht pulsiert hat. Viele Mieter erzählten uns, dass das Geschäft nicht einmal 2019 so gut lief. Das zeigt, die Bedrohung durch Corona bleibt, aber keiner ist mehr geschockt. Alle haben gelernt, mit der Situation umzugehen.

Beunruhigt Sie die aktuell hohe Inflation?
Inflation berücksichtigen wir von Anfang an in unserer Strategie. Am besten schützt man sich mit Rendite vor Inflation. Bei sehr niedrigen Renditen setzt man sich – egal mit welchem Investment – nun mal der Inflation aus. Lukriert man ein, zwei Prozent, so ist man in Schwierigkeiten. Kauft man hingegen bei sieben Prozent, spürt man zwar einen negativen Effekt, ist aber nicht klinisch tot. Daher investieren wir auch nicht, wenn der Markt „on fire“ ist, wie im vergangenen Jahr. Inflation kann andererseits aber auch Gelegenheiten eröffnen. Man darf nicht vergessen, dass viele Investoren mit viel Fremdkapital gekauft haben. Einige könnten in Schwierigkeiten geraten und verkaufen müssen.

Könnte es früher, als viele erwarten, zu einer Zinsanhebung kommen?
Hätten Sie mich das vor zwei Jahren gefragt, hätte ich gesagt: unmöglich. Heute sehen wir eine Inflation von fünf bis sechs Prozent. Gegen eine schnelle Zinsanhebung spricht, dass alle Staaten (und Unternehmen) von niedrigen Zinsen profitieren, da das auch niedrigere Kapitalkosten bedeutet. Ich denke, dass das höhere Preisniveau auf die Pandemie zurückzuführen ist. Man darf nicht vergessen, dass Inflation in kleinen Dosen das Geschäft auch pushen kann. Nehmen wir zum Beispiel einen Autohersteller. Der mag zwar stöhnen, weil er gewisse Materialien nicht bekommt und daher weniger ausliefern kann. Allerdings muss er auch keine Preisabschläge gewähren.

Sie haben 2021 erstmals in Nordamerika in eine Gesundheitsimmobilie investiert. War das erst der Anfang?
Nein, wir haben derzeit keine weiteren Pläne, was dem hohen US-Dollar und kanadischen Dollar geschuldet ist. Das gleiche gilt im Übrigen auch für Norwegen. Dort haben wir in zwei Tesla-Händler mit gutem Wertzuwachs investiert. Mit der Ölkrise ist auch die norwegische Krone gestiegen, weshalb wir von weiteren Investitionen abgesehen haben.

In welchen Märkten sind Sie aktuell verstärkt aktiv?
Wir investieren beispielsweise weiterhin in Großbritannien. Die anhaltenden Schwierigkeiten infolge des Brexits eröffnen für uns weiterhin Gelegenheiten. Um sie wahrnehmen zu können, haben wir neue Fondsanteile freigegeben. Wir glauben jedenfalls, im kommenden Jahr noch ein paar gute Deals abschließen zu können. Darüber hinaus könnte es schwieriger werden.

Welche Rolle spielt ESG bei Corum?
Wir leben das Thema von Anfang an beziehungsweise integrieren es in unseren Investitionsprozess. Dementsprechend ist der Großteil der Gebäude im Portfolio auch zertifiziert. Allerdings sehen wir das Thema eher als langfristigen Trend. Als Evolution und nicht als Revolution. Wir nehmen im Übrigen nicht nur das E in ESG, also Nachhaltigkeit, ernst. Lassen Sie mich ein Beispiel nennen: Vor ungefähr fünf Jahren haben wir uns von einem Kauf in Madrid zurückgezogen. Warum? Im Rahmen der Due Diligence sind wir draufgekommen, dass der Financier nicht unseren ethischen Maßstäben entsprach. Ich finde es jedenfalls etwas seltsam, dass der Markt jetzt erst beginnt, sich über ESG Gedanken zu machen. Schließlich trägt manja gegenüber den Anlegern, die uns ihr Geld anvertrauen, Verantwortung.

Wenn Sie zurückblicken, gibt es Deals, die Sie bereuen, nicht gemacht zu haben?
Viele. An einen werde ich mein ganzes Leben denken. Es war 2014 in Dublin. Ein Bürogebäude im Zentrum der Stadt mit einem Mieter, Google für acht Millionen Euro und eine Rendite von 8,6 Prozent. Aber wir hatten nicht genug Kapital. Heute liegt die Rendite bei 3,8 Prozent. Ich weine immer noch. Ich bereue aber noch etwas sehr: noch nie in Österreich investiert zu haben.

Woran liegt das?
Österreich ist ein sehr teurer, aber auch professioneller und nationaler Markt. Gehandelt wird zwischen wenigen kapitalkräftigen Investoren untereinander. Wenn man in so einem Markt eine Gelegenheit vorfindet, stellt sich immer die Frage, wieso kaufen die Österreicher nicht.

 

Januar 2022