Aus der Presse

Auf der Käuferseite

CEO Frédéric Puzin sowie Head of Real Estate Philippe Cervesi, beide vom Pariser Vermögensverwalter Corum, über ihre Einkaufspläne für 2023, wie sie finanzieren und über die Schwierigkeit, ihre Strategie zu erklären.

Während der Großteil der Immobilieninvestoren aktuell an der Seitenlinie zu warten scheint, sind Sie hochaktiv. 2022 haben Sie für Ihre Fonds 45 Immobilien für 1,2 Milliarden Euro gekauft. Und auch heuer wollen Sie in großem Stil kaufen. Damit sind Sie wohl eine Ausnahme in der Branche…

Frédéric Puzin: Am erfolgreichsten ist man beim Investieren, wenn man sich nicht so verhält wie der Markt. Allein im ersten Quartal 2023 haben wir 10.000 neue Kunden gewinnen können und 360 Millionen Euro an Zuflüssen aufgenommen. Zur selben Zeit haben unsere Konkurrenten in Frankreich die Zuflüsse um zwanzig Prozent reduziert. Ein weiteres Beispiel: Als wir 2012 den „Corum Origin“ auflegten, investierten wir in Spanien. Wie Sie sich erinnern können, war der spanische Markt damals, etwa im Vergleich zum französischen, in einer desaströsen Verfassung. Wir dachten uns, dass die spanische Regierung viel getan hatte, um die Folgen der Finanzkrise aufzuarbeiten. Gleichzeitig war die Wirtschaft in einer viel besseren Verfassung als der Immobilienmarkt. Für uns war das die beste Zeit für einen Markteintritt. Es gab auch keine Konkurrenten.

Menschen diese Strategie zu erklären, ist wohl nicht immer leicht…

Puzin: Viele halten uns für verrückt. Aber die Situation war 2014 ähnlich, als wir in die Niederlande gingen. Zu dieser Zeit war der Immobilienmarkt nicht in einer so tollen Verfassung.
Philippe Cervesi: Damals lag das jährliche Transaktionsvolumen am Investmentmarkt bei acht bis neun Milliarden Euro. 2018 waren es 18 Milliarden Euro. Man sieht also den Unterschied und kann sich auch vorstellen, wie hoch der Druck auf die Preise in den Jahren davor war.
Puzin: Ein gutes Beispiel für unsere Strategie ist sicher auch Großbritannien 2017. Das war wohl das Albtraum-Szenario schlechthin für Investoren. Uns war klar, dass der Brexit große Auswirkungen auf die britische Wirtschaft haben wird. Aber wie zuvor in Spanien wussten wir, dass das Land nicht im Meer versinken würde…
Cervesi: Ein paar Jahre davor war es für uns undenkbar, in Großbritannien zu investieren, weil der Markt sehr teuer war. Es war der Markt schlechthin in Europa, ungefähr gleich groß wie Frankreich und Deutschland zusammen, in dem Investoren aus aller Welt aktiv waren, die in der Lage waren, hohe Preise zu bezahlen. Dann kam der Brexit und alles änderte sich. Das jährliche Transaktionsvolumen halbierte sich auf rund 40 bis 45 Milliarden Euro, das Pfund verlor gegenüber dem Euro um circa 30 Prozent an Wert. Natürlich waren damit viele Gelegenheiten verbunden.
Puzin:
Ein Journalist meinte damals zu mir: Ihr seid wohl verrückt, das Geld der Anleger in Großbritannien zu investieren. Ich antwortete: Wer ist hier der Verrückte? Das britische Pfund notierte bei 1,10 Euro, die Immobilienpreise waren um rund 25 Prozent zurückgegangen. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Ja, es ist sehr schwer, diese Strategie zu erklären. Aber ehrlich gesagt habe ich den Eindruck, dass sie einfache Leute beziehungsweise Anleger besser verstehen als Professionelle.

Die richtige Marktphase spielt in Ihrer Strategie also die entscheidende Rolle…

Puzin: Die Idee hinter der Gründung unseres Fonds ist einfach: Wir sind in ganz Europa aktiv, in Ländern, die sich in unterschiedlichen Phasen des Immobilienzyklus befinden. Damit versuchen wir zu spielen. Das war damals eine revolutionäre Idee. Die gängige Meinung in Frankreich war, dass man nur in Paris ordentlich investieren kann.

Trotzdem: Wie war es möglich im „Seuchenjahr 2022“ Ihren Anlegern mit Immobilien eine reale Performance von fast zehn Prozent zu bescheren?

Puzin: Unsere Aufgabe ist es nicht, so viel Geld einzusammeln wie möglich, sondern für unsere Anleger, dazu gehören im Übrigen ausschließlich Private und keine Institutionellen, die bestmögliche Performance zu erzielen. Beispielsweise haben wir bei unserem größten Fonds, dem Corum Origin, in den vergangenen sechs Jahren das Fundraising limitiert, weil wir der Meinung waren, dass wir Zuflüsse nicht ordentlich investieren können, wenn wir weiter das Ziel verfolgen, eine jährliche Performance von mehr als sechs Prozent zu erreichen. Im Vorjahr haben wir den Fonds wieder geöffnet und rund 300 Millionen Euro neue Kundengelder aufgenommen. Nicht alle Mittel
aufzunehmen, die man kann, ist die einzige Art, einen offenen Immobilienfonds seriös zu managen, und auch der Schlüsselparameter in Hinblick auf die Performance.
Cervesi: Die Größe des Fonds ist der beste Weg, um die Performance zu halten. Wenn wir die aufgenommenen Mittel investieren können, schaffen wir Performance. Begrenzen wir die Zuflüsse, können wir früher oder später ein Problem bekommen, weil wir Verkaufsgelegenheiten vorfinden und wahrnehmen werden. Das heißt: Der Fonds wird schrumpfen, die Mieteinnahmen und letztlich auch die Performance zurückgehen.
Puzin: Wir hätten 2022 mit den Corum Origin auch eine Milliarde Euro aufnehmen können. Das hätte die Performance für immer gekillt.

Was steht bei Ihnen heuer auf dem Speisezettel?

Cervesi: Es ist derzeit natürlich schwer zu prognostizieren, aber wir gehen davon aus, dass wir wahrscheinlich mehr Gelegenheiten im Hotel-, Industrie- und Logistik-Bereich haben werden. Gerade Letzterer ist in den letzten Jahren sehr teuer geworden. Wir wollen jedenfalls sowohl den Corum Origin als auch den Corum XL etwas breiter aufstellen. Aktuell erleben wir jedenfalls einen der besten Zeitpunkte der letzten zehn Jahre, um unsere Fonds um viele unterbewertete Assets aufzustocken. Unsere Hauptaufgabe ist es, unter Druck stehende Verkäufer zu finden. So macht man das beste Geschäft. Krisen sind immer eine Chance. Selbst im Bankensektor führen wir derzeit Gespräche mit großen Unternehmen.

Wie finden Sie Gelegenheiten?

Cervesi: Wir haben sechs Mitarbeiter in sechs europäischen Ländern, konkret den Niederlanden, Großbritannien, Portugal, Litauen, Frankreich und Österreich, die laufend die Märkte nach Gelegenheiten screenen, viel reisen und Leute treffen. Gemeinsam mit dem Team Akquisitionen, das sich ebenfalls aus sechs Personen zusammensetzt, bilden sie unser Investmentteam. Die Akquisitions- Experten decken wiederum alle Phasen des Due Dilligence ab – vom Letter-of-Intent bis zum Closing. Das Investmentteam wird von drei Research-Kollegen unterstützt, die laufend neue Märkte, Trends und Chancen analysieren. Dasselbe machen sie auch mit Währungen.

Wie viele Deals haben Sie 2022 geprüft?

Cervesi: Im Vorjahr haben wir rund 50 Transaktionen abgeschlossen. Tiefergehend analysiert haben wir um die 500. Angeschaut mehr als 1.000. Heuer werden es wahrscheinlich deutlich mehr werden. Wir bekommen sehr viele Ideen beziehungsweise Angebote. Das ist auf unseren Ruf zurückzuführen. Wir gelten als sehr aggressiv beim Pricing – wir sind sicher nicht die, die am meisten für ein Asset zahlen werden. Aber wir sind bekannt dafür, schnell exekutieren zu können. Sehr oft kommt es vor, dass Deals zuerst nicht zustande kommen, sondern erst nach einem halben Jahr oder mehr. Nur ein Beispiel: In Belgien boten wir acht Prozent für ein Asset. Der Verkäufer meinte, er hätte jemanden, der sieben Prozent zahlen würde. Wir sagten, ok, kein Problem, aber wenn ihr wieder auf uns zukommt, wird unser Preis ein anderer sein. Nach drei Monaten kam ein Anruf, und wir schlossen den Deal bei rund 8,7 Prozent. So was kommt oft vor, da Investoren Schwierigkeiten haben, Finanzierungen aufzustellen. Rund 30 bis 40 Prozent unserer Deals sind solche Second-Hand-Transaktionen.

Welche Assets interessieren Sie nicht?

Cervesi: Wir sehen derzeit in Europa viele Sale-and-Lease-Back-Transaktionen von Unternehmen mit hohem Verschuldungsgrad, die dringend Cash benötigen. Sie wollen die Investoren zur Bank machen, weil sie keine Finanzierungen bekommen. Gleichzeitig wollen sie nur Mietverträge über fünf oder sieben Jahre unterzeichnen und auch keine Mietgarantien geben. So etwas interessiert uns nicht. Was wir auch keinesfalls kaufen würden, sind Logistikimmobilien, bei denen der Käufer darauf hinweist, dass die Rendite seit der Zinswende von drei auf vier Prozent gestiegen ist. Mit Kreditzinsen um die 3,5 Prozent macht ein Unterschied von 100 Basispunkten keinen Sinn. Auch wenn wir Käufer verstehen können, die meinen, dass die Kreditzinsen wieder in Richtung von einem Prozent zurückgehen werden. Wir wollen einfach kein Bewertungsrisiko eingehen.

In vielen europäischen Ländern wird über die Privatisierung des Gesundheitswesens diskutiert. Können etwa Pflegeimmobilien – Stichwort: demografische Entwicklung – für Sie mittel- und längerfristig zum Thema werden?
Cervesi: In sehr opportunistischer Hinsicht sicherlich. Erst kürzlich haben wir ein Altersheim in Großbritannien gekauft, mit einem über 25 Jahre laufenden Pachtvertrag mit einem sehr guten Betreiber und knapp sieben Prozent Rendite. Dazu ist es jedoch nur gekommen, weil es eine Off-Market-Transaktion war. Aber grundsätzlich unterscheiden sich die europäischen Health-Care-Märkte stark. Einer der gesättigsten ist sicher der französische. Das Problem, das damit verbunden ist: Eine hohe Konzentration an großen Playern, was normalerweise mit hohen Preisen verbunden ist.
Puzin: In Healthcare zu investieren ist grundsätzlich ein guter Gedanke. Nur leider haben viele derzeit die gleiche Idee. Bei guten Ideen, die viele haben, sind wir grundsätzlich sehr vorsichtig. Das treibt die Preise künstlich in die
Höhe. Die beste Art zu investieren ist, wenn sich keiner für etwas interessiert und der Markt am Boden ist.

Bei Ihrer gestrigen Hauptversammlung zeigten sich einige Aktionäre besorgt, dass Ihr Verschuldungsgrad (oder der Ihrer Fonds) im Vorjahr auf 40 Prozent gestiegen ist…

Puzin: Das ist ganz einfach: Leverage funktioniert am besten, wenn der Markt am Boden liegt und die Preise niedrig sind. Die einzige Schwierigkeit ist, eine Bank zu finden, die einem Geld borgt, und Immobilien, die mehr Rendite bieten als das Geld kostet. Gelingt das, kann man sehr gute Geschäfte machen.
Cervesi: Man muss dazu sagen, dass unser Verschuldungsgrad seit den Fondsstarts nie höher lag als bei 25 Prozent. Der Anstieg auf 40 Prozent ist also absolut historisch. Aber wie Frédéric richtig sagte: Im Moment kann es klüger sein, mit etwas mehr Leverage zu arbeiten. Noch vor kurzem hätte einem die Bank vielleicht 60 Prozent des Werts eines Assets finanziert. Und wir reden da von einer heißen und von überhöhten Bewertungen geprägten Marktphase. Derzeit bekommt man vielleicht 30 bis 35 Prozent finanziert. Aber weil der Markt ebenfalls überreagiert und die Immobilienwerte nach unten gehen, hat man praktisch kein Risiko. Man arbeitet also mit Leverage, um zu guten Preisen zu kaufen.

Wie finanzieren Sie konkret?

Cervesi: Wir arbeiten zu 90 Prozent mit revolvierenden Krediten. Das ist mit mehr Flexibilität verbunden und erlaubt uns auch, unsere Kosten besser zu managen. Gebühren werden nur fällig, wenn wir Geld aufnehmen. Und da unsere Fonds nicht so stark verschuldet sind, zahlen wir auch niedrigere Zinsen.
Puzin: So kurzfristig zu finanzieren ist eigentlich nicht üblich in der Immobilienwirtschaft. Uns erlaubt das hingegen, schnell zu verkaufen und Fremdkapital schnell zurückzuzahlen. Und das zu vernachlässigbaren Kosten.
Cervesi: Mit revolvierenden Kreditfazilitäten zu arbeiten ist heute vergleichsweise einfach für uns. Wir haben um die 20 Bankpartner. Aber als wir 2014, 2015 erstmals bei einer Bank darum ansuchten, war das mit heftigen Diskussionen verbunden. Sie dachten, dass wir völlig verrückt sind!

Ist für Sie ESG beim Investieren ein wichtiges Thema oder würden Immobilien, die in dieser Hinsicht top sind, zu niedrige Renditen bieten?

Cervesi: Schaut man sich unser Portfolio an, so besitzen wir hauptsächlich neue Gebäude mit hohen ökologischen Standards. Viele wurden auch zertifiziert. Das liegt auch daran, dass wir in ganz Europa investieren. Beispielsweise sind wir seit 2014 in den Niederlanden. Seitdem hat sich dort in Sachen Nachhaltigkeit viel mehr getan als etwa in Frankreich. So darf man etwa ab dem kommenden Jahr keine Büroflächen mehr vermieten, die nicht einem gewissen Energiestandard entsprechen. In Ländern wie den Niederlanden oder beispielsweise auch in Finnland aktiv zu sein, hat uns also die Bedeutung des Themas bewusst gemacht und wir achten darauf bei unseren Immobilien. Aber wir kommunizieren es bewusst nicht via Storytelling nach außen. Wir wollen uns auf die Performance unserer Fonds konzentrieren. In Frankreich gibt es schon genug Greenwashing.

Hinweis: Der Autor war auf Einladung von Corum auf Pressereise in Paris.

 

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