Kursabschläge als Einstiegschance
Heimische Immobilienaktien zählen seit dem Ausbruch der Coronakrise nicht gerade zu den Top-Performern an der Wiener Börse. Der Immobilien-ATX, der aus den Aktien der an der Wiener Börse gehandelten Immobilienunternehmen besteht, hat seit Jahresbeginn ein Minus von mehr als 40 Prozent zu Buche stehen. Zum Vergleich: der Leitindex ATX hat in der gleichen Zeit „nur“ um rund 35 Prozent nachgegeben. „Covid-19 ist weiterhin ein großes Thema, Angst vor einem zweiten Lockdown spielt da sicher eine große Rolle“, sagt Christoph Schultes, Analyst bei der Erste Group. Dabei seien die heimischen Immobilienunternehmen von Lockdown-bedingten Mietausfällen bislang relativ wenig betroffen gewesen.
Günstig bewertet
Während die Aktienkurse in den Keller gerasselt sind, kann das von den Immobilienpreisen nicht behauptet werden. Die heimischen Player notieren daher zu Kursen, die deutlich unter dem Marktwert ihrer Immobilien liegen. Diese Tatsache haben sich in den vergangenen Wochen und Monaten europaweit viele Immobilienunternehmen zunutze gemacht und eigene Aktien günstig zugekauft. Erst kürzlich hat auch die S Immo bekannt gegeben, ein Aktienrückkaufprogramm zu starten. Bis zum 30. Juni des kommenden Jahres will sie bis zu einer Million eigene Aktien (rund 1,36 Prozent des derzeitigen Grundkapitals) zurückkaufen. Damit sollen zwei Fliegen auf einen Streich gefangen werden: Da die Aktie rund 40 Prozent unter dem NAV (Summe der Immobilien- Marktwerte abzüglich sämtlicher Verbindlichkeiten) notiert, geht das Unternehmen damit ein lukratives Investment ein. Hinzu kommt, dass das Rückkaufprogramm der Kurspflege dient. Auch Privatanleger könnten die attraktiven Kursniveaus für einen Einstieg in ausgewählte heimische Immobilienwerte nutzen. Für Schultes ist etwa der Kursabschlag zum NAV bei der S Immo vor allem aus einem Grund unberechtigt: Rund 70 Prozent des Portfolios machen die von Covid-19 nicht bis kaum betroffenen Assetklassen Wohnen und Büro aus. Weitere Pluspunkte: das erfahrene Management und die starke Bilanz. Aktuell wird der Kaufempfehlung ein Kurspotenzial von rund 17 Prozent zugesprochen. Zuletzt sorgte allerdings unter Investoren die Nachricht für Unruhe, dass die Vorstandsperiode von CEO Ernst Vejdovszky wohl nicht über den 30. Juni 2021 hinaus verlängert wird. Gleichzeitig wurde der Aufsichtsrat von sieben auf vier Mitglieder zusammengekürzt. Sowohl AR–Vorsitzender Martin Simhandel als auch Vize-Vorsitzender Franz Kerber mussten gehen.
Viel Luft nach oben
Noch mehr Kurspotenzial hat mit fast 35 Prozent eine weitere Kaufempfehlung der Erste Group: die CA Immo. Auch sie ist vergleichsweise wenig von Covid-19 betroffen, was auf das Portfolio – es setzt sich fast ausschließlich aus Büroimmobilien in guten Lagen der Topstädte Deutschlands, Österreichs und der CEE-Region zusammen – und die starke Mieterstruktur zurückzuführen ist. „Die CA Immo hat sich im aktuellen Geschäftsjahr am stabilsten entwickelt“, unterstreicht Oliver Simkovic, Analyst bei der Raiffeisen Centrobank (RCB), die gute Performance des Unternehmens. Das größte Kurspotenzial wird derzeit aber der Aktie der Immofinanz zugesprochen – die Erste Group-Analysten bescheinigen ihr ein Potenzial von 65 Prozent. Die Kursabschläge von 50 Prozent seien aufgrund einer Reihe von Tatsachen stark übertrieben, meint Schultes. Er verweist auf den Büro- Anteil von 65 Prozent am Portfolio, den hohen Anteil der „Stop Shop“- Fachmarktzentren am Einzelhandelsportfolio und das solide Finanzprofil. „Die Qualität des Portfolios ist unserer Meinung nach besser als von den meisten Marktteilnehmern wahrgenommen“, betont er in einer aktuellen Analyse. Die von Covid-19 besonders betroffenen Einkaufszentren würden nur etwa 15 Prozent des Portfolios ausmachen. Die Portfoliozusammensetzung – und die damit verbundene Aussicht auf stabile Mieteinnahmen – spielt derzeit auch bei offenen Immobilienfonds eine große Rolle. Mit 9,5 Milliarden Euro (Stand Ende September) liegt das Fondsvolumen mittlerweile wieder über dem Vor-Corona-Niveau. Bis zum Jahresende geht die Mehrheit der Anbieter von einer stabilen Entwicklung beziehungsweise zumindest positiven Performance aus. Kursfeuerwerke konnten sich die Anleger von heimischen Immobilienfonds allerdings auch in normalen Jahren nicht erwarten. Zur Veranschaulichung: 2019 wiesen sie ein durchschnittliches Plus von gut zwei Prozent auf.
Fonds-Outperformer
Anders der Corum Origin, ein französischer Immobilienfonds, der seit dem vergangenen Frühjahr auch österreichischen Anlegern zugänglich ist. Er wird sein Renditeziel von sechs Prozent auch heuer erreichen – und damit zum mittlerweile neunten Mal in Folge. Laut Christopher Kampner, Head of Sales Österreich bei Corum, sei das unter anderem darauf zurückzuführen, dass man bei jedem Zukauf die Mieter auf Herz und Nieren prüfe und auch während des Mietverhältnisses regelmäßigen Kontakt halte. Weiters sei das Portfolio breit gestreut, was Assetklassen und Länder betreffe. In Wohnimmobilien ist der Fonds nicht investiert.
Text: Patrick Baldia
Hier geht es zum Die Presse Artikel: https://www.pressreader.com/austria/die-presse/20201031/282711934534648
Oktober 2020